Zu alt für ein Geodreieck
von ackerknecht
Diesen Text wollte ich ursprünglich an den RSP-Karneval zum Thema „Alte Säcke“ anflanschen, aber davon ist leider nichts geworden. Da Würfelheld und Greifenklaue sich in ihrer aktuellen RPG-o-Quest aber mit Spielmaterial befassen, nutze ich diese Gelegenheit, das Thema noch mal aufzugreifen. Ich habe mich etwas tiefer in DSA5 eingelesen und wundere mich, dass das Regelsystem an einem eigentümlichen Sonderweg festhält: Es geht um Entfernungen im Kampf.
Als DSA5 rauskam, war einer der häufiger gehörten Kritikpunkte, dass das Spiel zu „brettspielartig“ geworden sei. Einer der Moderatoren auf DSA-Intime sagte, das Spiel gehe stark in Richtung Descent (wenn ich mich recht erinnere). Ich lese gerade mehrere verschiedene Rollenspiele quer, darunter welche mit einem taktischem Ansatz im Kampf (Splittermond), aber auch sehr erzählerische Spiele (The Black Hack). Highlight ist der Vergleich von Pathfinder und 13th Age, die ich gerade lese, um die Spielbarkeit von PF-Abenteuerpfaden mit 13th Age-Regeln auszutesten. Beide haben denselben Regelkern, aber Pathfinder ist der König der Battlemaps, während 13th Age hier ganz stark mit Werkzeugen des Erzählspiels arbeitet. Und dabei frage ich mich: Wieso ist DSA nicht einen Weg konsequent zu Ende gegangen?
Ich bin in einer sehr konservativen DSA-Community sozialisiert worden. Es gab immer ein paar Spieler, die vom Computerspiel kamen und die versucht haben, mittels Schicksalsklinge/Sternenschweif-Regeln ein Spiel auf Bodenplänen umzusetzen. Aber für die meisten aus meinem Bekanntenkreis waren Rasterpläne was für Shadowrun und AD&D, also komplett Pfui, Igitt und indiskutabel. Und diese Ressentiments habe ich fast mein ganzes DSA-Spieler-Leben beibehalten. Erst seit einigen Jahren, als ich angefangen habe, mich immer mehr dem Bier&Bretzel-Spiel zuzuwenden, konnte ich mich mit Bodenplänen und Miniaturen anfreunden. Die Verwaltung im Kampf ist einfach so viel einfacher, ohne ewige „Wo steht jetzt der Ork?“-Fragen.
Jetzt wäre ein Bodenplan-basiertes Kampfsystem für DSA5, glaube ich, nichts Verkehrtes. DSA hält weiterhin an komischen Regeln für Entfernungen fest, ohne diesen Weg konsequent zu Ende zu gehen. Beispiele wären zum Beispiel die Reichweiten von Kampfzaubern: Der Fulminictus hat 8 Schritt, der Ignifaxius hat 16 Schritt – ist dieser Unterschied tatsächlich so relevant, spielt das tatsächlich öfter eine Rolle am Spieltisch? Die einzige sinnvolle Anwendung im Bodenplan-befreiten Spiel wäre: „Du bist nah genug dran für einen Igni, aber zu weit weg für einen Fulmi.“ („Aha – dann möchte ich lieber einen Schneidzahn werfen. Was wäre da die Erschwernis?“)
Ich finde, wenn man an so diffizilen, konkreten Werten wie in den DSA5-Regeln festhält, dann kann man auch noch den nächsten Schritt machen und Bodenplanregeln einführen.
Ich verwende übrigens in meinen DSA1-Runden folgenden Schicksalsklingen-Hack:
- Es werden Bodenpläne mit 1x1cm-Quadratraster und übliche Brettspiel-Pöppel verwendet.
- Jeder Charakter hat pro Zug 8 Bewegungspunkte (BP).
- Eine Bewegung über ein Feld kostet 1 BP.
- Ein Angriff oder das Verwenden eines Gegenstands kosten 3 BP.
- Ein Zauber kostet 5 BP.
- Erlaubt ist eine Handlung und Bewegung entsprechend der verbleibenden BP.
- Die Bewegung muss komplett vor oder nach der Aktion erfolgen.
- Alles andere wird mit der Hand gewedelt.
Aber auch der andere Ansatz könnte umgesetzt werden: Das erzählerische Kampfsystem mit einer Handvoll von Entfernungsstufen. Ich könnte mir das mit folgenden fünf Distanzen vorstellen:
- Handgemenge (unbewaffnet und Dolche)
- Nahkampf (die meisten Ein- und Zweihandwaffen)
- Kurzdistanz (Stangenwaffen, Andergaster und die kürzeste Distanz für den Fernkampfwaffeneinsatz)
- Mittlere Distanz (Wurf- und Schusswaffen)
- Ferndistanz (Erschwerungen für Wurfwaffen, evt. geringere Aufschläge für Schusswaffen)
Kampfaktionen mit für die Distanz ungeeigneten Waffen sind erschwert, der Wechsel der Distanzklasse erfordert eine Aktion. Oder so ähnlich. Man müsste halt die Zauber entsprechend anpassen – die oben genannten Fulminictus und Ignifaxius wären demnach wohl Kurz- bzw. Mitteldistanzzauber. Wäre das nicht mal was für das Scriptorium?
Gibt es das eventuell schon?
Mit fragenden Grüßen verbleibt
A.
[…] EDIT: Hier ist er. […]
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Die Idee von Entfernungsstufen gefällt mir gut. Da ich eher selten spiele (und wenn, dann stehe ich ohnehin meist Nase an Nase mit meinem Feind) sonder öfter leite, denke ich da ohnehin nie in festen Entfernungen. Entweder der Spieler ist „Nah“, „In Reichtweite“ oder „Lauf erst mal.“. Deine Einteilung klingt natürlich eleganter.
Deswegen graust es mir so oft, wenn ein Spieler fragt, wie weit der Gegner entfernt ist. Die Frage, ob er nah genug für Aktion X ist, ist da schon besser, bitte press bloß keine feste Angabe aus mir heraus!
Ums kurz zu machen: die Idee gefällt mir, der Schneidezahnwurf auch, das werde ich bestimmt demnächst mal aufgreifen.
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Danke für die Blumen!
Das System mit „Nah“, „In Reichtweite“ oder „Lauf erst mal.“ ist ja mehr oder weniger der Ansatz, den das OGL-System 13th Age verfolgt.
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Als DSA2-Aussteiger und DSA5-Basisregel-Wiedereinsteiger finde ich das Regelwerk sehr kleinschrittig und teilweise spielflusshinderlich (ist wohl ein Segen für mich, DSA4 verpasst zu haben). Als Meister versuche ich eher erzählerische Ansätze zu verfolgen und umständliche oder gerade nicht präsente Regeln der Spielsituation entsprechend zu entschlacken.
Die Kampfsituation profitiert m.E. nun ganz gewaltig von einem Bodenplan (DIN A4 – Karoblock reicht mir da zur Not). Die Übersicht und das „Beteiligten-Management“ sind dadurch unschlagbar gut handelbar. Letzter Einsatz war bei Klingen der Nacht – großer Kampf mit Monster im See und x weiteren Beteiligten. Das hätte mich ohne Bodenplan ganz sicher überfordert.
Eigenständige Bodenplanregeln halte ich nun eigentlich nicht für erforderlich. Die verfügbaren Regelangaben zu Bewegungs- Fernkampf- oder Magiereichweite, können ja 1:1 auf den Plan umgesetzt werden, ebenso wie die Übertragung der Aktionen, freien Aktionen, etc.
Dabei gilt das gesagte, dass eine gerade nicht greifbare Regel, schnell aus dem Handgelenk geschüttelt wird – das geht vermutlich aber nur mit nicht „bibelfesten“ Mitspielern.
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Danke für den Kommentar.
Um das noch einmal etwas zu konkretiseren: Das Savage-Worlds-Regelwerk hat zwei Seiten, auf denen kurz die Möglichkeiten der Visualisierung beschrieben werden: Skizzen, Bodenpläne mit Minis, frei&erzählerisch, …
Das ist der stärkste Teil des SW-Regelwerks, und ich finde, DSA lässt die Spieler hier etwas allein mit seinen konkreten Meterangaben.
Man fuchst sich selber bestimmt ein System zurecht, aber auf die verschiedenen Varianten hätte man wenigstens eingehen können.
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Mhm, ich möchte eigentlich kein Bodenplankampfregelsystem für DSA. Ich bin sehr froh, dass es das nicht gibt. Pathfinder macht das in diesem Kontext viel besser. Wozu sollte DSA das kopieren? Da würde man doch vermutlich doch nur wieder irgendwas halbgares hinstellen, was dann nur Teile von anderen Spielen übernimmt, aber insgesamt nicht zufriedenstellend funktioniert.
Und wenn man kein feldbasiertes Kampfsystem hat, dann sind Angaben in Metern/Schritt doch ganz brauchbar. Alle Angaben an allen Stellen funktionieren so. Wenn man das ändern wollte, dann müsste man das konsequent überall machen. Ich spiele ohnehin am liebsten ganz ohne Bodenpläne. Erstens mag ich den Brettspielcharakter nicht, der dadurch entsteht und zweitens führt es immer zu völlig absurden Spieleraktionen. Gerade weil es keine Brettspielregeln für DSA gibt, meint dann jeder, dass er 8 m/s Meter durch den Wüstensand laufen kann, dabei mehrfach die Richtung wechseln und andere Kämpfer (die ja während seines Zuges statisch sind, nicht wahr?) umlaufen. Natürlich ist das völliger Unsinn und die Regeln der vierten schränken dies auch sehr klar (und sehr kleinteilig) ein. Die fünfte Edition macht hier wieder extreme und gefährliche Vereinfachungen. Wenn man sich aber vor Augen hält, dass eine Kampfrunde weiterhin zwischen 2 und fünf Sekunden dauern kann, dann bleibt weiterhin nichts als Unfug zurück.
Aus meiner Sicht waren Entfernungsregeln immer ziemlich irrelevant. Abgesehen davon, dass man mit der Entfernungskategorie 8 Schritt nur direkt am Kampf Beteiligte erwischen kann, lässt sich jede andere Kategorie durch DSA-Helden mittels Bewegung ausmanövrieren.
Und warum ist das bei DSA so und bei anderen Spielen womöglich nicht? Ich würde mal vermuten, dass es daran liegt, dass die Fernkampfoptionen, ebenso wie die Buffs in DSA einfach ein Witz sind. Du hast eine Armbrust? Herzlichen Glückwunsch, dein Pathfinder Character kann jeder Runde angreifen. Bei DSA kann man eher von Fire and Forget sprechen. Flächenangriffe? Buffs auf alle innerhalb 6 Feldern Reichweite? Vergiss es!
Das ganze System ist darauf nicht ausgelegt. Es ist leider oftmals keine gute Idee eine einzelne Idee aus einem anderen System zu übernehmen und dann zu hoffen, dass es sich genauso anfühlt. Solchen Unfug hat DSA5 schon zur Genüge implementiert.
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Wenig Widerspruch von meiner Seite.
Ja, Pathfinder ist für Bodenplanspiele besser geeignet. 13th Age und FATE sind bessere Spiele für ein abstraktes „Nah genug/zu weit weg“-System. Um meine Kritik aus dem Blogeintrag einmal positiver zu formulieren: Die Meter-/Schrittangaben lassen den Spielgruppen alle Optionen offen, sowohl ein pathfinderiges Bodenplanspiel wie auch ein handgewedeltes „Nah genug für X, zu weit weg für Y“.
Was ich schade finde, ist, dass DSA5 die Spieler mit diesen Angaben relativ alleine zurücklässt. Wie gesagt, vorbildhaft finde ich da die Savage Worlds Gentlemans Edition Revised, die auf knapp zwei Seiten viele Varianten der Spielfelddarstellung beschreibt. Der Platz wäre im DSA5-GRW auch noch da gewesen, zumal das GRW bei anderen (in meinen Augen zweitrangigen) Fragen sehr ausführlich ist.
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